Sensation: Hamburg führt den Mietendeckel ein! Alle Fragen, alle Antworten

Während in Hamburg die Mieten weiter steigen, greift Berlin durch: Ab 2020 sind die meisten Mieten in der Hauptstadt für fünf Jahre gedeckelt. Das Netzwerk Recht auf Stadt fordert, auch in Hamburg einen Mietendeckel einzuführen. Deshalb hat das Netzwerk am 5. November 2019 erste Tatsachen geschaffen und die Hamburg-weite Einführung eines ersten Mietendeckels begonnen.

In diesen Kneipen bekommt ihr den Mietendeckel

05.11.2019: Aktivist*innen des Netzwerks „Recht auf Stadt“ stellen den Mietendeckel auf dem Rathausplatz vor

Die wichtigsten Fragen zu: Hamburger Mietendeckel & SAGA #vergesellschaften:

Was ist ein Mietendeckel?
Warum ist ein Mietendeckel sinnvoll?
Wie funktioniert ein Mietendeckel?
Ist ein Mietendeckel rechtens?
Belastet ein Mietendeckel Kleinvermieter*innen?
Führt ein Mietendeckel dazu, dass weniger gebaut wird?
Wen betrifft ein Mietendeckel?
Ist der Mietendeckel nicht eine Rückkehr zur DDR?
Löst der Mietendeckel die Wohnungsfrage?
Wie trägt der Mietendeckel zum Zusammenhalt der Gesellschaft bei?
Warum fordert Recht auf Stadt einen Mietendeckel?
Was ist die SAGA?
Die SAGA gehört der Stadt Hamburg – was ist das Problem?
Sichert die SAGA nicht billige Mieten in Hamburg?
Ist die SAGA weisungsgebunden an den Senat?
Was unterscheidet die SAGA von einem gewöhnlichen Immobilienunternehmen?
Was macht die SAGA mit ihren Gewinnen?
Warum erhöht die SAGA die Mieten?
Was bedeutet „vergesellschaften“?
Wie könnte eine Vergesellschaftung der SAGA aussehen?
Wer sitzt im Aufsichtsrat der SAGA?
Warum fordert Recht auf Stadt eine Vergesellschaftung der SAGA?

1. FAQ Mietendeckel

– Was ist ein Mietendeckel?

„Mietendeckel“ ist eine andere Bezeichnung für einen Mietpreisstopp: Die Mieten dürfen eine bestimmte Höhe nicht überschreiten. So könnten entweder die gegenwärtigen Mieten eingefroren werden. Oder die Miete wird auf eine gesetzlich festgeschriebene Höhe begrenzt. Letzteres ist beim kürzlich eingeführten Berliner Mietendeckel der Fall. Dieser Anfang 2020 in Kraft treten und für fünf Jahre gelten.

– Warum ist ein Mietendeckel sinnvoll?

In den Großstädten sind die Mieten vor allem in den vergangenen zehn Jahren krass gestiegen: in Hamburg zwischen 2008 und 2018 im Durchschnitt um knapp 50 Prozent, in Berlin sogar um über 100 Prozent – das ist eine Verdopplung! Das ergab eine Studie der Immobilienplattform Immowelt.de von 2018, die 250.000 Wohnungsinserate ausgewertet hat.1

Viele Haushalte gerade in den Innenstädten geben heute schon die Hälfte ihres Einkommens nur für die Miete aus. Zum Vergleich: Noch 1963 belastete die Miete das Haushaltseinkommen mit durchschnittlich nur etwas über 15 Prozent. Gleichzeitig ist die Zahl der Sozialwohnungen überall in Deutschland drastisch zurückgegangen. In Hamburg sind von ehemals rund 400.000 Sozialwohnungen (1970er Jahre) noch etwa 77.000 übriggeblieben. Vom gesamten Mietwohnungsbestand sind nur 8,5 Prozent Sozialwohnungen.2 Weil über die Hälfte der Hamburer Haushalte ihrem Einkommen nach Anspruch auf eine Sozialwohnung haben, sind das viel zu wenig. Die Situation auf dem Wohnungsmarkt in Hamburg und anderswo kann man also mit Fug und Recht als Mietenwahnsinn bezeichnen.

Die Mietpreisbremse der Bundesregierung hat diesen Mietenwahnsinn nicht gestoppt. Ausnahmeregelungen ermöglichen Investoren wie der Akelius AG, Wohnungen nach aufwendiger Modernisierung für bis zu 30 Euro pro Quadratmeter anzubieten, selbst wenn dieser Preis deutlich über dem Mietenspiegel liegt. Das Gesetz zur Mietpreisbremse erleichtert es Mieter*innen zwar, gegen zu hohe Mieten vorzugehen. Doch wer will direkt nach dem Einzug in eine neue Wohnung, nach der man lange gesucht hat, sofort den/die Vermieter*in verklagen? Der Mietenspiegel selbst begrenzt die Mietenexplosion der letzten Jahre ebenfalls nicht: In ihn gehen keine Bestandsmieten, sondern nur Mieten aus Neuvermietungen ein. Damit ist er in Wirklichkeit ein „Mieterhöhungsspiegel“.

– Wie funktioniert ein Mietendeckel?

In Berlin wurden zwei Modelle diskutiert:

a) Vermietern wird per Gesetz für einen bestimmten Zeitraum, zum Beispeil fünf Jahre, verboten, die Miete zu erhöhen. Juristisch heißt das: Es gibt einen „zeitlich begrenzten Ausschluss des Rechts auf Mieterhöhung nach §558 BGB“.3

b) Vermietern wird per Gesetz für einen bestimmten Zeitraum, zum Beispiel fünf Jahre, vorgeschrieben, bei Neuvermietungen die Miete weitgehend auf eine von der Politik festgelegte Vergleichsmiete abzusenken. Die neue Miete darf diese Vergleichsmiete um maximal zehn Prozent übersteigen. Die juristische Formulierung heißt hier „befristeter Ausschluss der Privilegierung der sogenannten Vormiete“. Diese „Privilegierung“ ist in §556e Abs. 1 BGB als Ausnahmevorschrift festgehalten und wird also bei einem Mietendeckel nach diesem zweiten Modell außer Kraft gesetzt.4

Der im Oktober vom Berliner Senat vorgestellte Mietendeckel soll so funktionieren: Bei rund 1,5 Millionen Mietwohnungen, die vor 2014 gebaut wurden, soll die Miete für fünf Jahre eingefroren werden. Ausgenommen sind Wohnungen, die ab 2014 gebaut wurden, und Sozialwohnungen, die sowieso eine Mietpreisbindung haben. Bei Neuvermietungen in den 1,5 Millionen Mietwohnungen gilt eine sogenannte Tabellenmiete von maximal 9,80 Euro (je nach Lage), über der die neue Miete nicht liegen darf.5

– Ist ein Mietendeckel rechtens?

Die Juristen Franz Mayer (Yale University) und Markus Artz (Universität Bielefeld), die für die Berliner SPD im März ein Gutachten zum Mietendeckel vorgelegt haben, halten einen Eingriff in die Rechte der Vermieter durch einen Mietendeckel für „verhältnismäßig“, wenn das Recht auf Wohnen „elementar gefährdet“ ist.

In der Geschichte der Bundesrepublik hat es nach dem Zweiten Weltkrieg einen solchen Eingriff bereits gegeben. Damals galt eine Mietpreisbindung, die nichts anderes als ein Mietendeckel ist. Der Bundestag hob sie ab 1960 nach und nach auf, zuletzt 1988 in West-Berlin.

– Belastet ein Mietendeckel Kleinvermieter*innen?

Für solche Fälle gibt es beim Berliner Mietendeckel eine Härtefallregelung. Vermieter*innen können eine Mieterhöhung beantragen, wenn die zulässige Miete auf Dauer zu Verlusten für sie oder zur Substanzgefährdung der Mietsache führen würden. Wenn der Mieter einen Wohnberechtigungsschein hat, kann die Differenz zwischen genehmigter Erhöhung und dem Wert der Mietentabelle ausgeglichen werden. Natürlich besteht besonders in diesem Segment die Gefahr, dass Mietwohnungen dann zu Eigentumswohnungen umgewandelt werden, weil das geplante Geschäftsmodell, möglichst viel Geld aus der Immobilie zu ziehen, nicht mehr aufgeht. Dieser kann dann aber mit der Einführung von mehr Sozialen Erhaltungsgebieten, in denen die Umwandlungsverordnung gilt, und der Nutzung des Vorkaufsrechts entgegengetreten werden.

– Führt ein Mietendeckel dazu, dass weniger gebaut wird?

Dies ist ein Drohszenario, das gerade von Seiten der Immobilienbranche zur Abwehr des Berliner Mietendeckels vorgebracht wird. Schaut man sich die Zahlen allerdings etwas genauer an, so fließt ein Großteil der immobilienwirtschaftlichen Investitionen in die Grundstückspekulation und nur ein Bruchteil in Investitionen für Neubau. In den letzten 10 Jahren wurden in Berlin 140 Mrd. Euro für den Kauf von bebauten Grundstücken, Eigentumswohnungen und unbebauten Grundstücken ausgegeben (oder „investiert“).

In selben Zeitraum wurden in Berlin rund 90.000 Wohnungen neu gebaut, in die die Bauherren etwa 16 Milliarden Euro investierten. Das sind gut 11 Prozent der Investitionen in bereits vorhandene Wohnungen. „Wenn es heißt: Der Mietendeckel gefährdet die Investitionen in Berlin, dann bedeutete das konkret, der Mietendeckel gefährdet zu 90 Prozent die Spekulation mit Grundstücken und das Verdrängungsgeschäft der Ertragserwartungsspekulation. Eigentlich kein schlechter Wirkungsgrad für ein politisches Instrument“, schreibt der Gentrifizierungsforscher Andrej Holm treffend in seinem Blog.6

Wenn Neubauten (Wohnungen ab 2014) wie in Berlin vom Mietendeckel ausgenommen sind, ist das Argument gar nicht mehr überzeugend. Der Mietendeckel betrifft die Bautätigkeit schlicht und einfach nicht.

– Wen betrifft ein Mietendeckel?

Auf der einen Seite Mieter*innen, da sich die Mieten so stabilisieren könnten. Auf der anderen Seite Vermieter*innen, da sie sich an den Mietendeckel bei der Vermietung halten müssten.

– Ist der Mietendeckel nicht eine Rückkehr zur DDR?

Schon in der Schule wird allen beigebracht, dass das Wirtschaftssystem in Deutschland die „soziale Marktwirtschaft“ ist. Der Staat soll also möglichst wenig in den Markt eingreifen, auch nicht in den Immobilien- und den Wohnungsmarkt. Die meisten glauben das bis heute. Der Jurist Peter Weber hat 2018 in einem Aufsatz zur Möglichkeit eines Mietendeckels allerdings betont: „Ein bestimmtes Wirtschaftssystem ist durch das Grundgesetz weder vorgegeben noch gewährleistet.“ Argumenten, ein Mietendeckel sei mit der Marktwirtschaft nicht vereinbar, sind laut Weber „rechtlich betrachtet nichtssagend und für eine verfassungsrechtliche Prüfung unerheblich“. Das Argument, ein Mietendeckel sei der Beginn eines Sozialismus à la DDR, ist also eine reine Polemik.

– Löst der Mietendeckel die Wohnungsfrage?

Der Mietendeckel allein löst die Wohnungsfrage nicht, die da lautet: Wie kann für alle überall in der Stadt bezahlbarer Wohnraum zur Verfügung gestellt werden? Er könnte aber Mieter*innen die Angst nehmen umzuziehen. Wer zum Beispiel in einer zu großen Wohnung lebt, weil die Kinder ausgezogen sind oder der Partner, die Partnerin gestorben ist, würde vielleicht gerne in eine kleinere Wohnung ein paar Straßen weiter ziehen – die ist jedoch angesichts der gegenwärtigen Entwicklung unbezahlbar. Ein Mietendeckel könnte hier helfen, dass Bewohner*innen von großen in kleine Wohnungen ziehen, ohne den Stadtteil verlassen zu müssen, so dass die großen Wohnungen von mehr Menschen bewohnt werden können. Um die Woh-nungsfrage zu lösen, müssten dennoch mehr günstige Wohnungen neu gebaut werden. Ausserdem müssten die Akteur*innen auf dem Wohnungsmarkt gestärkt werden, die nicht profitorientiert, sondern dem Gemeinwohl verpflichtet agieren. Die Wiedereinführung einer Wohnungsgemeinützigkeit würde das unterstützen.

– Wie trägt der Mietendeckel zum Zusammenhalt der Gesellschaft bei?

Im Zuge drastisch steigender Mieten werden seit Jahren immer mehr Menschen aus ihren Stadtteilen verdrängt. Das passiert vor allem in den Innenstadtteilen. Die werden immer mehr zu Siedlungen der Wohlhabenden, während Bewohner*innen mit geringeren Einkommen in Randstadtteile ziehen müssen. So geht nach und nach die soziale Vielfalt und das soziale Miteinander verschiedener Schichten verloren. Das Ergebnis ist eine Spaltung der Stadt in Zonen für Wohlhabende und Reiche und Zonen für Abgehängte. Diese Spaltung bedroht den sozialen Frieden in der Stadt. Und sie verhindert in zunehmendem Maße die Chancengleichheit in der Bildung (die durch das Grundgesetz eigentlich gewährleistet sein muss), wenn wohlhabendere Stadtteile zunehmend bessere Bildungsangebote haben als abgehängte Stadtteile. Ein Mietendeckel kann diese Entwicklung erst einmal stoppen, im Idealfall kehrt sich die Entwicklung nach einigen Jahren wieder um.

– Warum fordert RaS einen Mietendeckel?

Für das Netzwerk Recht auf Stadt ist die Situation auf dem Wohnungsmarkt dramatisch: Aufgrund immer weiter steigender Mieten finden viele Menschen keine bezahlbaren Wohnungen mehr, und manche trauen sich nicht umzuziehen, weil sie in ihrem Stadtteil keine bezahlbare Wohnung mehr finden würden. Alle bisherigen Versuche der Politik, auch die Mietpreisbremse, haben den Mietenwahnsinn nicht aufhalten können. Ein Mietendeckel kann das. Wohnen ist ein Menschenrecht, das für alle Menschen zugänglich sein muss! Wohnen ist nicht einfach ersetzbar.

Quellen zu den Mietendeckel-Fragen:

1 Quelle: https://www.wiwo.de/finanzen/immobilien/14-grossstaedte-im-zehnjahresvergleich-wo-das-wohnen-noch-erschwinglich-ist/22950088.html

2 Quelle: Felix Arnold, ALP Institut für Wohnen und Stadtentwicklung GmbH: Wohnungsmarktanalyse 2020 für Hamburg, vorgestellt am 21.10.2019

3  Quelle: Franz Mayer, Markus Artz: „Öffentlich-rechtliche und privatrechtliche Aspekte eines ‚Mietendeckels‘ für das Land Berlin. Rechtsgutachten für die Fraktion der SPD im         Abgeordnetenhaus von Berlin“, vorgestellt am 19.3.2019

4 Siehe 2.

5 Siehe https://gentrificationblog.wordpress.com/2019/09/03/berlin-mietendeckel-light/

 

2. SAGA vergesellschaften FAQ


– Was ist die SAGA?

Die SAGA ist das Wohnungsunternehmen der Stadt Hamburg. Sie wurde 1922 als Gemeinnützige Siedlungs-Aktiengesellschaft in Altona gegründet. Ihr ursprünglicher Gesellschaftszweck war die „sichere und sozialverantwortliche Wohnungsversorgung für breite Schichten der Bevölkerung zu angemessenen Mietpreisen“. Die SAGA ist Hamburgs größter Vermieter. Das städtische Unternehmen kontrolliert mit 135 000 Wohnungen fast ein Fünftel des Hamburger Gesamtwohnungsbestandes.

1999 fusionierte das Wohnungsunternehmen SAGA (Siedlungs-Aktiengesellschaft Altona) mit der GWG (Gesellschaft für Bauen und Wohnen). Ab 2005 übernahm die SAGA dann sukzesive Unternehmensanteil der GWG und zahlte der Stadt dafür bis 2010 insgesamt 500 Mio. €. (siehe auch „Was macht die SAGA mit ihren Gewinnen?“)

Eigentümerin der SAGA ist die Stadt Hamburg, allerdings auf etwas verschachtelte Weise:

Die SAGA gehört zu 30,92 der Freien und Hansestadt Hamburg und zu 69,08 Prozent der HGV Hamburger Gesellschaft für Vermögens- und Beteiligungsmanagement mbH.
Die HGV wiederum gehört zu 100 Prozent der Freien und Hansestadt Hamburg.
Tatsächlich ist es noch komplizierter, wie diese Grafik aus dem Nachhaltigkeitsbericht der SAGA von 2014 zeigt:

– Die SAGA gehört der Stadt Hamburg – was ist das Problem?

Die SAGA ist rechtlich eine Aktiengesellschaft. Auch wenn alle Anteile direkt oder indirekt der Stadt Hamburg gehören, verhält sich die SAGA nicht viel anders als ein privates Immobilienunternehmen. Sie erhöht die Mieten und sie macht wie jede Aktiengesellschaft Gewinne, von denen nicht klar ist, was damit passiert.

2018 betrug der Gewinn der SAGA nach Steuern 205,8 Mio. Euro, 2017 waren es 202,8 Mio. Euro. Auch in Jahren davor bewegte sich der Gewinn zwischen 140 und 180 Mio. Euro. Die SAGA ist eben kein gemeinnütziges Unternehmen wie etwa die Wohnungsunternehmen Wiener Wohnen, das die 220.000 Wohnungen der Stadt Wien verwaltet.

– Sichert die SAGA nicht billige Mieten in Hamburg?

Es ist richtig, dass die SAGA ihre Wohnungen für Hamburger Verhältnisse noch relativ günstig vermietet. 2018 lagen die durchschnittlichen Kaltmieten zwischen 5,91 und 6,86 Euro pro Quadratmeter – letztere für im Bau frei finanzierte Wohnungen, die aber knapp 73 Prozent des Wohnungsbestandes ausmachen. Die Durchschnittsmiete insgesamt liegt bei 6,60 Euro.

Allerdings erhöht die SAGA die Mieten regelmäßig. Seit dem Zusammenschluss von SAGA und GWG 1999 ist die durchschnittliche Miete bis 2018 von 4,20 auf 6,60 Euro gestiegen. Das ist eine Mietsteigerung von 57 Prozent in fast zwanzig Jahren. Das ist deutlich mehr als die allgemeine Preissteigerung durch Inflation, die im selben Zeitraum bei gut 30 Prozent lag.

Tatsächlich erhöht die SAGA nach der Veröffentlichung des jeweils aktuellen Mietenspiegels bei rund 40 Prozent ihrer Wohnungen die Miete. Das hat zwar einen dämpfenden Effekt auf den nächsten Mietenspiegel, in den keine Bestandsmieten, sondern nur neue Mieten (aus Erhöhung und Neuvermietung) eingehen, also auch die vergleichsweise günstigen SAGA-Mieterhöhungen von maximal fünf Prozent. Andererseits könnte die SAGA die Mieten auch einfach nur um einen symbolischen Cent erhöhen, wenn sie diesen dämpfenden Effekt bewusst auslösen wollte – was sie als städtisches Unternehmen eigentlich tun sollte, solange der Mietenspiegel nicht reformiert worden ist.7

– Ist die SAGA weisungsgebunden an den Senat?

Eine rechtliche Weisungsgebundenheit des Vorstandes gibt es im Einklang mit §76 Aktiengesetz nicht. Über den Aufsichtsrat, in dem die Stadt Hamburg als faktischer Alleineigentümer den/die Vorsitzende*n stellt (aktuell mit der Senatorin für Wohnen und Stadtentwicklung Dorothee Stapelfeldt), kann der Senat zumindest Einfluss nehmen. Im Ergebnis bestimmt die Stadt Hamburg zwar das entscheidende Personal, kann diesem aber keine Entscheidungen direkt vorschreiben.

– Was unterscheidet die SAGA von einem gewöhnlichen Immobilienunternehmen?

Der wichtigste Unterschied ist, dass die Stadt Hamburg als Eigentümerin direkt oder indirekt sämtliche Aktien an der SAGA hält. Zudem ist die Senatorin für Stadtentwicklung und Wohnen automatisch Vorsitzende des Aufsichtsrats.

– Was macht die SAGA mit ihren Gewinnen?

Laut Senat braucht die SAGA das Geld, um ein „strukturelles Investitionsdefizit“ von insgesamt 2,5 Mrd. Euro abzubauen, von dem noch 1 Mrd. Euro offen seien.8

Von 2006 bis 2010 kaufte die SAGA die Anteile der GWG und bezahlte dafür jährlich 100 Mio. Euro, also ingesamt 500 Millionen Euro an die Stadt Hamburg. Mit diesem Geld, das von der Stadt um weitere 500 Millionen Euro auf 1 Milliarde Euro aufgestockt wurde, wurde das sogenannte Sonderinvestitionsprogramm 2010 (SIP 2010) aufgelegt. Aus dem SIP 2010 wurden der Bau der Elbphilharmonie und die Umgestaltung und Privatisierung des Spielbudenplatzes finanziert.

Insgesamt bleibt bislang undurchsichtig, was die SAGA mit den Gewinnen macht.

– Warum erhöht die SAGA die Mieten?

Die SAGA ist zwar das städtische Wohnungsunternehmen, aber formaljuristisch privatisiert und agiert als „normales“ marktwirtschaftliches Unternehmen, das seine Mieten markt- und profitorientiert anpassen kann. Immerhin dämpfen ihre Mieterhöhungen den Anstieg des Mietenspiegels etwas (siehe Frage: Sichert die SAGA nicht billige Mieten?).

– Was bedeutet „vergesellschaften“?

Auf Wohnraum bezogen kann man derzeit zwei Arten von Eigentum unterscheiden: das private – Wohnungen gehören Einzelpersonen oder Unternehmen; und das kommunale – Wohnungen gehören im Prinzip einer Gemeinde oder Stadt.

Kommunales Wohnungseigentum – das klingt für viele erst mal gut. Das Problem ist, dass die Bewohner*innen einer Gemeinde oder Stadt kein Mitspracherecht haben, wenn es um Miethöhe oder den Neubau von Wohnungen geht.

Vergesellschaftetes Eigentum könnte in Zukunft eine dritte Variante sein: Dann müsste der Wohnraum dem gesellschaftlichen Allgemeinwohl dienen und nicht nur den Interessen eines Privateigentümers oder einer Stadt (in Form ihrer Behörden). Vergesellschaftetes Eigentum wäre gemeinnützig und nicht gewinnorientiert, und alle Beteiligten und Betroffenen würden über seine Nutzung mitentscheiden.

– Wie könnte eine Vergesellschaftung der SAGA aussehen?

Bereits heute wäre es möglich, die SAGA in eine Stiftung öffentlichen Rechts umzuwandeln, die sämtliche Anteile der Stadt an dem Unternehmen übernimmt. Der Sinn dieser Stiftung ist dann: das geschaffene Vermögen dauerhaft zu erhalten, Gewinne in den Wohungsbestand zu reinvestieren und nicht an die Stadt abzuführen. In den Stiftungsorganen sind mit Sperrminorität auch Vertreter der Mieter*innen und von Mieterorganisationen beteiligt, die einer eventuellen Zweckänderung der Stiftung oder deren Auflösung zustimmen müssten – das schützt vor einer Rückabwicklung. Hamburg würde damit ein wichtiges Signal an andere Städte senden, einen nicht unerheblichen Anteil des Hamburger Wohnungsbestandes aus dem Immobilienmarkt herauszulösen.

– Wer sitzt im Aufsichtsrat der SAGA?

Neben der Senatorin für Stadtentwicklung und Wohnen (Vorsitzende des Aufsichtsrats, derzeit: Dorothee Stapelfeldt) waren dies 2018:

die Geschäftsführer der HGV Hamburger Gesellschaft für Vermögens- und Beteiligungsmanagement, ein Abteilungsleiter der Finanzbehörde, eine Amtsleiterin der Behörde für Stadtentwicklung und Wohnen, ein Vorstand der HADAG AG (Hamburger Fährbetrieb), zwei Angestellte der SAGA sowie ein selbständiger Unternehmensberater.9

Was fällt auf? Es sitzen keine Vertreter der Mieter*innen im Aufsichtsrat. Die rund 300.000 Mieter*innen der SAGA sind in die Entscheidungen des städtischen Wohnungsunternehmens also nicht eingebunden.

– Warum fordert RaS eine Vergesellschaftung der SAGA?

Weil Wohnraum nicht gewinnorientiert gestaltet werden sollte, sondern dem gesellschaftlichen Allgemeinwohl dienen soll. Eine Aktiengesellschaft wie die SAGA entzieht sich außerdem einer direkten Kontrolle durch parlamentarische Einrichtungen, geschweige denn durch ihre Mieter*innen. Eine Vergesellschaftung, zum Beispiel über eine Stiftung (siehe oben) würde eine Verpflichtung auf das Allgemeinwohl und die Mitbestimmung durch Mieter*innen schaffen.

Langfristig, in den kommenden Jahrzehnten, ist eine Vergesellschaftung des Wohnraums die einzige Möglichkeit, das Recht auf Wohnen – wie in der Europäischen Sozialcharta festgelegt – einzulösen. Wohnraum ist keine Ware.

Quellen zu den SAGA-Fragen:

6 Siehe https:// gentrificationblog.wordpress.com/2019/09/03/berlin-mietendeckel-light/
7 Quellen: Geschäftsberichte der SAGA 2014, 2018 sowie Bürgerschaftsdrucksache 21/780
8 Quelle: https://www.buergerschaft-hh.de/parldok/dokument/65959/ bericht_des_stadtentwicklungsausschusses_ueber_die_drucksache_21_13435_mietenpoli tik_der_saga_zugunsten_der_mieter_innen_aendern_antrag_die_linke.pdf
9 Quelle: SAGA Geschäftsbericht 2018, S. 34; https://www.saga.hamburg/das-unternehmen/uber-saga-gwg/geschaftsbericht/ SAGA_GB_2018_web.pdf

 

Dieses FAQ wird in den kommenden Monaten ergänzt und erweitert. Wenn Ihr eine Frage habt, die hier noch fehlt, schickt uns eine Email an info (at) rechtauftstadt (punkt) net. Wir versuchen dann, sie so gut wie möglich zu beantworten.