10 Jahre später: Das Gängeviertel ist gesichert!

Die Besetzung des Gängeviertels am 22. August 2009 war gewissermaßen der Gründngsakt des Netzwerks Recht auf Stadt. Klug vorbereitet und mit enormem Rückenwind aus allen Teilen der Hamburger Stadtgesellschaft erwischten die rund 200 Besetzer*innen die Stadt auf dem falschen Fuß. Vor allem eröffneten sie eine breite Debatte, die zum Ende des neoliberalen Leitbilds der „wachsenden Stadt“ führte, in der keine Sozialwohnungen mehr gebaut und ohne Not städtische Grundstücke verkauft worden waren.

Nun haben sich nach jahrelangem Hickhack Stadt und Gängeviertel auf einen Erbbaurechtsvertrag geeinigt. Das ist nicht nur für das Gängeviertel super, dass damit auf Jahrzehnte gesichert ist. Es zeigt auch, dass das Erbbaurecht ein sinnvolles Instrument ist, das endlich wieder angewendet wird. Nachstehend die Erklärung des Gängeviertels:

Die Aktivist*innen des Gängeviertels jubeln über den Abschluss des Kooperationsvertrags 2011. Jetzt ist der Jubel noch größer.

Ein großer Tag für eine alternative Stadtentwicklung

Kurz vor dem 10. Jubiläum der Initiative »Komm in die Gänge« ist es endlich so weit: Nach vielen Jahren der Verhandlungen, der Kooperation und manchmal auch des Konflikts haben sich die 2010 gegründete Gängeviertel Genossenschaft 2010 eG und der Senat der Freien und Hansestadt Hamburg auf einen Erbbaurechtsvertrag geeinigt, der die Zukunft des selbstverwalteten Kulturorts auf Dauer sichert. Dieser bedarf zu seiner Wirksamkeit noch der Zustimmung der Bürgerschaft. Die Generalversammlung der Genossenschaft hat dem ausgehandelten Weg bereits einstimmig zugestimmt.

Für uns ist das deshalb heute ein großer Tag!

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Seit der kulturellen Inbesitznahme des Gängeviertels im August 2009 war der Initiative bewusst, dass die langfristige Sicherung des Projekts untrennbar mit der Lösung der Eigentumsfrage verknüpft sein wird. Die zentralen Ziele des Gängeviertels waren und sind dabei: Erhalt und Entwicklung des Projekts über mehrere Generationen, Selbstverwaltung und Gestaltungshoheit sowie die nutzungs- und denkmalgerechte Sanierung. Um diese Ziele zu erreichen, müssen die Flächen und Gebäude des Areals langfristig dem Markt entzogen werden, um sie vor Privatisierung und Profitmaximierung sowie wechselnden politischen Konjunkturen zu schützen. Frei nach dem Motto »Hamburgs Tafelsilber darf nicht verscherbelt werden«, sollte aus Sicht der Initiative ein Erbbaurechtsvertrag zum Erhalt des denkmalgeschützten Ensembles und zur Entwicklung eines alternativen Nutzungskonzepts verhandelt werden.

Wir sind sehr glücklich, dass es nun durch diese zukunftsweisende Einigung zwischen Stadt und Gängeviertel-Genossenschaft gelungen ist, neben der langen Laufzeit des Vertrags auch den Erhalt bezahlbarer Mieten für Wohn-, Gewerbe- und Möglichkeitsräume zu sichern. So kann eine große Bandbreite an unkommerziellen, kulturellen und sozialen Angeboten, Entwürfen und Experimenten als unser Herzensziel auch in Zukunft gewährleistet werden.

Mit diesem wegweisenden Schritt senden Stadt und Initiative gemeinsam ein starkes Signal für eine alternative Stadtentwicklung. Wir hoffen so, dass der Vertrag als Vorbild eine Strahlkraft weit über unser Projekt hinaus entfalten kann. Genossenschaften sind die Lösung zur Umsetzung einer historischen Idee: »die Häuser denen, die drin wohnen«. Diese Forderung ist aktueller denn je, denn angesichts der explodierenden Mieten in Großstädten wie Hamburg und Berlin wird das »Recht auf Stadt« mehr und mehr ausgehöhlt. Der Vertragsabschluss setzt dazu einen klaren Kontrapunkt und würdigt die Eigenart des Gängeviertels, in dem ein Gegenmodell zur segregierten Stadt gelebt wird: Es ist eine lokale Gemeinschaft, die nicht nur die Kunst mit der Politik, sondern auch das Wohnen mit dem Arbeiten wieder an einem Ort zusammenführt. So wird auch ein wesentliches Moment der Geschichte Hamburgs, das Leben in den historischen Gängevierteln, zu einem gegenwärtigen Erlebnis.

Wir sind hocherfreut, dass zum 10. Jubiläumsjahr sowohl des Gängeviertels als auch des Netzwerks »Recht auf Stadt« endlich eine Einigung mit der Stadt erreicht werden konnte. Und wir danken allen, die uns auf diesem langen Weg unterstützt haben. Insbesondere unseren Wegbegleiter*innen aus den befreundeten »Recht auf Stadt«-Projekten, künstlerischen und politischen Initiativen aus aller Welt, unseren fachlichen Berater*innen, Anwälten und natürlich allen Genoss*innen sowie unseren Verhandlungspartner*innen auf Seiten der Stadt. Wir können nun gemeinsam unseren Weg in eine sichere Zukunft weitergehen und mit der kommenden Sanierung weitere Häuser des Gängeviertels mit Ideen von morgen füllen: solidarisch, gemeinschaftlich und kooperativ.

Kommt in die Gänge – und zeichnet Anteile – mindestens die nächsten 75 Jahre!

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