GrundRECHT auf Stadt – für alle!

Nicht das Geld darf darüber entscheiden, wieviel Ausnahmezustand man sich leisten kann.

Während die gut situierten Hamburger Haushalte in großen Wohnungen mit Terrassen oder Häusern mit Gärten und gut gefüllten Konten bis jetzt wenig von der Krise betroffen sind, will der Hamburger Senat nun den Menschen, die nicht so privilegiert sind, das Leben noch schwerer machen.

Ab sofort können Personen, die nicht den geforderten Mindestabstand von 1,5 Metern einhalten, und Geschäfte, die um das Überleben kämpfen und deshalb heimlich öffnen, laut Senatsbeschluss vom 02.04.2020 mit hohen Geldstrafen belegt werden.

Das halten wir für falsch.

„Eine Stadt, die das offene Tor im Wappen trägt und sich als kreative Weltstadt verkauft, von der erwarte ich innovative Ideen für Krisenmanagement bei bevorstehenden Frühlingstemperaturen und nicht einen Bußgeld-Katalog“, sagt Christina Zeh vom Sprecher*innen-Rat des Netzwerks Recht auf Stadt.

Eine Antwort könnte sein, die schon vor Jahren fast komplett eingedampften Jugendzentren zur reaktivieren. Wenn Angestellte in Betrieben trotz Social Distancing weiterarbeiten müssen, können Kinder und Jugendliche nicht zu häuslicher Isolation verdammt werden. Mit geeigneten Vorsichtsmaßnahmen könnten Kinder und Jugendliche dort Lernhilfen und bei häuslichen Problemen auch Beratungsangebote bekommen.

In diesem Zusammenhang ist nicht unerheblich, dass in dicht besiedelteren, ärmeren Stadtteilen mit kleinen Wohnungen das „Stay at home“ Familien sehr viel stärker belastet als in wohlhabenderen Stadtteilen mit weniger Bevölkerung und Einfamilienhäusern.

„Maßnahmen dieser Art treffen unter dem Strich nur diejenigen, die auf Grund ihrer wirtschaftlichen Situation sowieso schon schlechter dastehen“, sagt Daniel Schlegel vom Sprecher*innen-Rat des Netzwerks Recht auf Stadt.

Die Krise trifft bereits jetzt viele Hamburger*innen hart. Deshalb sollte sich der regierende Senat einer Stadt, in der die meisten Millionäre Deutschlands leben, zügig Gedanken darüber zu machen, wie eine solidarische Umverteilung mindestens in der jetzigen Krise organisiert wird.

Durch die Privatisierung der städtischen Krankenhäuser sind diejenigen, die in dieser Krise alles geben, um Menschenleben zu retten, oft wirtschaftlich sehr schlecht gestellt. Die Löhne für Pflegearbeit in Krankenhäusern spotten jeder Beschreibung. Das Netzwerk Recht auf Stadt fordert deshalb von der Stadt Hamburg, einen Sonderfonds aufzulegen, um zunächst für die Dauer der Pandemie die Löhne für Pflegearbeit kräftig aufzustocken.

Die großzügig in Aussicht gestellten finanziellen Hilfen für Betriebe und Freiberufler*innen sind zum jetzigen Zeitpunkt de facto eine Subventionierung der Grundeigentümer*innen. Die Summen sind zu niedrig und fließen zuerst in die Zahlung von Mieten. Auch die Stundung von Mieten für Wohnungsmieter*innen ist keine Lösung, weil hier die Mieter*innen sich in Wirklichkeit verschulden, wenn sie die gestundeten Mieten mit vier Prozent Verzinsung bis Ende 2022 zurückzahlen müssen.

„Das zieht man Jahre hinter sich her wie Linus von den Peanuts sein Schnuffeltuch. Das wird finanzielle Dramen für viele Hamburger*innen zur Folge haben“, sagt Dorothee Wolter, Aktivistin im Netzwerk Recht auf Stadt.

Das Netzwerk fordert deshalb eine stadtweite Mietenpause von sechs Monaten – vor allem für Wohnungsmieter*innen und für Kleingewerbetreibende. Für alle in Not.

Ein echter Skandal ist der Umgang der Stadt Hamburg mit Geflüchteten und Obdachlosen. Die Räumung des Zeltes der Gruppe Lampedusa in Hamburg in St. Georg etwa legt den Verdacht nahe, dass hier unter dem Deckmantel des Seuchenschutzes Tatsachen geschaffen werden sollen, und Geflüchteten systematisch ihre soziale Basis genommen werden soll. Sie ebenso wie Obdachlose sollten per Senatsverordnung das Recht auf ein Bett bekommen – in Hamburg stehen ausreichend Hotels leer.

Dass hier überhaupt etwas für diese von der Corona-Krise besonders hart getroffenen Gruppen getan wird, ist der Solidarität und der Hilfe entschlossener Hamburger*innen zu verdanken. Wie schon im Sommer 2015 zeigt sich, dass es die Zivilgesellschaft ist, die einspringt, wo ein schlecht vorbereiteter Staat keine Hilfsstrukturen vorsieht oder diese eingespart hat.

Klar ist: Nach dieser Krise kann es kein Zurück zum „Normalzustand“ geben. Hamburg muss in den kommenden Monaten alles daransetzen, sich als wirklich Freie und Solidarische Stadt Hamburg neu zu erfinden.

Sprecher*innenrat des Recht auf Stadt Netzwerk Hamburg

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